Es war einmal…

Ich denke oft und gern zurück
An Dittigheim, ans Jugendglück.
Dort, wo meine Wiege stand,
dort, am grünen Tauberstrand.

Ich seh’ die Landschaft vor mir liegen
Nicht so, wie man sie heute schaut:
Die hohlen, die staubigen Wege –
Heute alles zugebaut!

Ich seh‘ vom Berg die Schlitten sausen!
Ja, Winter gab es damals noch.
Ich seh‘ die Blumenwiese draußen 
im Tal und bis zum „Hottenloch“.

Ich sehe mich noch beim Schlagballspielen
Auf dem Marktplatz bis zum Abend;
Die heiße Stirn im Wasser kühlen
Und mich am Rathausbrunnen labend.

Kein Auto störte unsere Kreise,
Nur ab und zu ein Kuhgespann.
Eine Ranken Brot war uns’re Speise
Bis uns die Nacht zur Ruhe zwang.

Ich seh‘ die kleinen Kirchlein steh’n
Zur Ehre Gottes einst gebaut,
die heute noch auf Bergeshö’hn
anheimelnd sind und sehr vertraut.

Ich hör‘ die Glocken hoch vom Turm,
Der einstmals unser Burgverlies,
das wir eroberten im Sturm
Den Schleiereulen zum Verdrieß!

Ich hör‘ die Wasser über’s Wehr
aus der Tauber deutlich rauschen.
Und ich sehne mich so sehr
In diese Wasser einzutauchen.

Ich hör‘ des „Polizeidieners“ Schelle
Wichtigkeiten zu vermelden, 
die höhern Orts an Amtsstelle
erlassen, uns dann um die Ohren gelten.

Ich denke oft und gern zurück
an die Schulzeit, an die Lehrer,
die ihren Fleiß — zu unser‘m Glück —
anwandten, als die Wissensmehrer.

Ich denke auch an‘s Kriegsgeschehen,
soweit die Erinnerung dahin reicht;
seh‘ Häuser noch in Flammen stehen.
Die Zeit war damals nicht so leicht.v

Ich denke an die Zeit danach
als ich im Gesangverein
gesungen hab‘ im zweiten Bass
das Heimatlied und „lieb Herzilein“.

Ich denke an die Zeit zurück,
Wo wir Theater spielten.
Und wo wir dann im Jugend Glück
Uns bei den Händchen hielten.

Ich schmecke die verbot’nen Kirschen
von des Nachbars Bäumen,
Wie wir uns damals munden ließen,
dieweil die Besitzer schäumten!

Erlebnisreich war die Natur
und sauber noch dazu
in Feld und Wald und in der Flur;
man fand auch dort noch Ruh‘.

Ich rieche noch den Rauch der Darren,
wo Grünkern einstens wurd‘ gemacht.
und wo der beißend‘ Rauch uns Narren
— und Hitze — uns fast umgebracht.

Ich rieche noch gemahl‘ne Äpfel,
aus den‘ man süßen Most gemacht.
Ich rieche noch das Brot in Näpfen,
das man zum Bäcker hat gebracht.

Ich rieche noch die alte Schmiede,
wo Kuh und Pferde angeschuht.
Ich seh‘ die Funken noch aufstieben
aus der Esse Feuerglut.

Ich rieche noch den Duft aus Kesseln,
in denen man Kartoffeln kocht‘,
dem Vieh, den Schweinen zugemessen.
Auch ich hab‘ sie so gern gemocht!

Ich rieche noch das Obst auf Horten,
die Zetschgen, Äpfel-, Birnenschnitz,
die im Ofen mussten dorren
bei Ober- und bei Unterhitz‘.

Ich rieche noch des Wagners Leim,
das Pech der Schuhemacherei.
Ich denke oft noch an Daheim,
an Gewesenes — es ist vorbei.

Auch die große Dreschmaschine
seh‘ ich und den Bulldog „Lanz“.
Ich sehe noch das Neubeginnen,
versuche mich in Toleranz.

Die Neue Zeit war angebrochen.
Aus Parzellen wurde Land
so groß, dass man statt ein paar Wochen
nur Tage auf die Ernt‘ verwandt.

Man nannt‘ es Flurbereinigung 
und raubte der Natur den Stolz,
das Kleingetier und in Vereinigung 
auch Busch und Strauch und Unterholz!

Man sagt‘ mir, dass der Bauer schützt
mit seinem Tuen die Natur.
Ich meine, wer so düngt und spritzt
ist immer noch auf falscher Spur.

Man besinnt sich zwar und mehr
zurück und legt auch Flächen still.
Wir begrüßen alle sehr
dies, und weil es Brüssel halt so will.

In Toleranz wollt‘ ich mich üben.
Doch was ich heute sehen muss,
muss die Seele arg betrüben:
an Raubbau ist noch lang‘ nicht Schluss.

Doch langsam wird die Menschheit wach,
besinnt sich auf was war gewesen.
Mäandern tut wie einst Bach,
natürlich wieder ist sein Wesen.

Gebrochen ist Beton wie Eis.
Wasser fließen, Blumen sprießen.
Das Ganze ist doch der Beweis:
Wir können die Natur wie eh‘ genießen.

Ich möchte nicht, dass Räder stillsteh‘n.
Doch Fortschritt uns beengt.
Ich möchte nur, dass wir versteh‘n
Natur uneingeschränkt.

Elementar von Gott gegeben
— sofern wir nach der Bibel leben —
sei der, der niemals war ein Christ
natürlich und ein Optimist.

Aber alles, was bisher
der Menschheit anvertraut,
war immer nur „grand Malheur“;
sie hat immer alles selbst versaut.

Jedoch — und ohne Link und Spott — 
frag‘ ich ganz vermessen:
wo ist denn der „Liebe Gott“,
der uns gelehrt das Messen?

Schuster bleib‘ bei deinen Leisten,
Schreiner bleib bei deinem Brett.
Doch mich beschäftigt es am meisten,
wo ich doch meine Heimat hätt‘.

Die Natur war stets bereit
klares Wasser uns zu schenken.
So war‘s in meiner Jugendzeit;
ich trank es ohn‘ jegliches Bedenken.

Man sehe heut‘ die Wasser an!
Ein Verbot-Schild stehet dort!
Auch der Bauer hat‘s getan;
ist das an der Natur nicht Mord?!

Traurig ist, was uns geblieben
aus der frühen Jugendzeit.
Und nichts, gar nichts ist übertrieben,
was ich beweise jedezeit.

Es blieb in dem Gedächtnis haften
und jedes Foto bringt Beweis:
Ich — Mensch — kann es kaum verkraften;
es ist ein gemachter Teufelskreis!

Wer gegen die Natur sich stellt
und frevelt am Ererbten,
den trifft‘s am Ende immer selbst.
Und das ist sein Verderben.

Ich seh‘ im Geist die Gräber dort
im Friedhof unter‘m Herbels-Wald.
Oft bin ich da — und doch weit fort
und denk‘ ich komme bald.

So ist jedes Leben;
es neiget sich dem Ende zu.
Und von der Jugend einst‘gem Schwung
bleibt halt nur Erinnerung.

Phiipp Schreck
Kappelrodeck, 19. September 1991
Eggenstein, 31. Januar 1994

Unbedingt mitmachen

Kontakt aufnehmen

Schreiben Sie uns eine Nachricht oder eine E-Mail an info@hv-dittigheim.de Gerne erklären wir Ihnen unser Projekt.

Kommentieren

Kommentieren Sie einen Beitrag. Einfach unter den betreffenden Artikel Ihre Ergänzung, Korrektur oder auch Frage eingeben!

Ihre Möglichkeiten

Unterstützen Sie das Projekt als Autor, Redakteur, Fotograf oder mit Materialien aus Ihrem Fundus.

Logo Heimatverein Dittigheim