Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Millionen Menschen aus ihrer Heimat in den deutschen Ostgebieten vertrieben und mussten im Westen eine neue finden. Da die meisten Städte in Trümmer lagen, wurden die Vertriebenen, wie vorher schon die ausgebombten Städter, hauptsächlich auf dem Land untergebracht, schon der Versorgung und den Arbeitsmöglichkeiten wegen. So musste auch Dittigheim für die Flüchtlinge Wohnraum zur Verfügung stellen, der fast ausschließlich von den Einheimischen bereitgestellt werden musste. Durch die damit bedingten Einschränkungen kam es bisweilen zu Problemen und Spannungen auf beiden Seiten, denn in den wenigsten Fällen standen Wohnungen oder gar Häuser leer, und immerhin hatte die einheimische Bevölkerung hier einen Zuzug von mehr als einem Drittel ihrer Einwohnerschaft zu verkraften. So darf nicht verschwiegen werden, dass bei aller Hilfsbereitschaft und Mitgefühl mit dem Schicksal der vertriebenen Landsleute es auch so manchen Argwohn und Vorurteile gab.
Für die Dittigheimer Kinder, die in der Kargheit der Nachkriegszeit aufwuchsen, waren „die Flüchtlinge“ in der Öffentlichkeit zwar schon Bestandteil der Leute im Dorf, aber durch die Reden der Erwachsenen doch die noch nicht dazugehörigen „Fremden“. Im Gegensatz zu den Älteren bot für sie der Zuzug eher eine Abwechslung, da sie in ihrer kindlichen Unbefangenheit schnell Kontakte mit neuen Spielkameraden knüpfen konnten. Viele der Neubürger waren sehr offen und trotz oft ärmlichen Lebensverhältnisse sehr gastfreundlich.
Unter den neu zugezogenen war auch die Familie Schubert. Diese kam mit ihren vier schon älteren Kindern aus Oberschlesien, wo Vater Paul eine Gastwirtschaft sowie einen Lebensmittelladen betrieben hatte , und da er – wie schon sein Vater – sehr musikalisch war – betreute er das Musik- und Gesangsleben in seiner schlesischen Heimat.
Diese Begabung (er spielte eine Vielzahl von Instrumenten, komponierte, dirigierte) brachte er nach seiner Vertreibung mit in die neue Heimat, die nach Zwischenaufenthalten in Gerlachsheim und Hof Steinbach Dittigheim werden sollte, wo er schnell als große kulturelle Bereicherung im Ort erkannt wurde. Bald schon kamen Kinder und Jugendliche in großer Zahl zu ihm, um Musikunterricht zu nehmen. Auch stattete er sie mit Musikinstrumenten aus, die er ihnen in Würzburg besorgte, und schrieb ihnen selbst die Noten. Darüber hinaus belebte er, neben seiner Tätigkeit als Handelsvertreter, den örtlichen Musikverein als „Musikring“ neu, den er, wie auch den Männergesangsverein, dirigierte. In den Wintermonaten initiierte er Theateraufführungen im Saal der Engelswirtschaft unter Mithilfe des ebenfalls neu ins Ort gekommenen Ehepaars Hans und Hilde Eiler, das für die Bühnengestaltung zuständig war.
Im Hinterhof der Ashoff’schen Schmiede und abgeschirmt durch eine weitere Scheune lag – akustisch autonom – ein kleines, nicht mehr ganz intaktes Häuschen, das zum Treffpunkt des Musikvereins wurde.
Desweiteren entwickelte sich das Schubert`sche Heim zum Treffpunkt des Musikvereins, die in der kleinen niederen Küche um den Esstisch herum ihre Proben abhielten. Dieser Praxis kam entgegen, dass die Schuberts ein kleines, zwar nicht mehr ganz intaktes Häuschen mieten konnten, das durch seine abgelegene Lage im Hinterhof der Aschoff`schen Schmiede und abgeschirmt durch eine weitere Scheune „akustisch autonom“ war, d.h. die Proben der Blasmusikkapelle erreichte nur gedämpft die Nachbarschaft.
Gerade die Geschichte der Familie Schubert zeigt, dass mit den Vertriebenen auch ihre Fähigkeiten und ihr persönlicher Einsatz für die Allgemeinheit als Bereicherung für alle im Dorf mitgebracht wurden. Paul Schubert war ein solches Beispiel und für Dittigheim geradezu ein Geschenk. Sein selbstloser Einsatz für Musik, Gesang und Theater, sein Wirken in der musikalischen Erziehung der Jugend ließen ihn hier zur kulturellen Institution werden, die bis zum heutigen Tag in seiner Notensammlung des Musikvereins fortwirken sollte.
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